Immer mal wieder werde ich gefragt, was ein Social Business genau ist.
Für mich persönlich bedeutet Social Business noch ein kleines bisschen mehr als das, was die allgemein bekannte und kommunizierte Definition eines Sozialunternehmens ist. Für mich spielt die soziale Komponente nämlich auch in Bezug auf sich selbst, also die Mitarbeiter und Gründer, eine elementare Rolle. Denn nur wer auch gut für sich selbst sorgt, kann langfristig und nachhaltig wirklich Gutes tun.
Über meine Philosophie schreibe ich gegen Ende dieses Beitrags.
Zuerst widmen wir uns der mehr oder weniger allgemein gültigen Erklärung, was Sozialunternehmertum ist, wie es entstanden ist und welche Entwicklung die letzten Jahre gebracht haben.
Social Business, Social Entrepreneurship oder Sozialunternehmertum.
All diese Begriffe stehen für das gleiche Konzept eines Wirtschaftsunternehmens, das sich sozialen und gesellschaftlichen Zielen verpflichtet hat und bei dem die Gewinnerzielung nicht das wichtigste Unternehmensziel darstellt. Aktuell schreiben sich zwar zahllose Firmen Begriffe wie Nachhaltigkeit, sozialer Mehrwert oder ökologisches Wirtschaften auf die Fahnen, hinter der Werbe-Fassade werden diese Maxime aber von den wenigsten Unternehmen tatsächlich gelebt. Bei einem echten Sozialunternehmen ist die Ethik Teil des Unternehmenszwecks, der Erfolg wird in erster Linie am gesellschaftlichen Nutzen gemessen und nicht an Umsätzen, Dividenden und Gewinnen.
Im Klartext:
Wer seine Produkte in fernen Ländern produzieren lässt, in denen kaum Standards gelten und die Bevölkerung bei schlechten Bedingungen für einen minimalen Lohn arbeitet, wird nicht zu einem sozialen und nachhaltigen Business, nur weil die Marketingabteilung von Body-Positivity plappert und irgendwo ein paar Bäume pflanzt.
Vielseitig aufgestellt
Die gesellschaftlichen Themen, mit denen sich Sozialunternehmen beschäftigen, sind breit gefächert. Es geht zum Beispiel um die Schaffung neuer Jobs, um Integration und Inklusion, das Tierwohl, die Bekämpfung von Armut, die allgemeinen Menschenrechte, um Umweltschutz und Bildung. Ziel ist dabei immer eine Ökonomie, die dem Gemeinwohl dient.
Die Art der Firmierung gibt nicht automatisch Aufschluss darüber, ob eine Firma ein Sozialunternehmen ist. So kann ein Social Business als GbR, GmbH, Verein, Genossenschaft, Stiftung oder sogar AG firmieren. Ein Social Business muss dabei nicht zwangsweise gemeinnützig sein. Möglich ist eine Gemeinnützigkeit aber inzwischen für fast jede Rechtsform. Erkennen kann man diese an einem G vor der Rechtsform, also zum Beispiel gGmbH für eine gemeinnützige GmbH oder gAG für eine gemeinnützige Aktiengesellschaft.
Sich sozial, gesellschaftlich und nachhaltig zu engagieren, einen Teil oder auch alle Gewinne in entsprechende Projekte zu investieren, ist natürlich auch als klassische GmbH, mit einem Einzelunternehmen und ohne „Gemeinnützigkeits-Label“ möglich.
Im Falle gemeinnütziger Gründungen sind aber Spenden und Zuwendungen von Bund, Ländern oder privaten Sponsoren denkbar. Erwirtschaftete Gewinne werden dann nicht an Shareholder ausgezahlt, sondern reinvestiert, um dem sozialen Engagement der Firma zur Verfügung zu stehen. Eine Ausnahme ist nur zulässig, wenn die Gesellschafter ebenfalls gemeinnützig arbeiten.
Manche Social Businesses bilden sich auch aus mehreren nicht-politischen Interessenverbänden. Diese sind dann allgemein als Non-Governmental-Organizations (NGOs) bekannt. Ebenfalls realisierbar sind Sozialunternehmen aus einer bisher „normalen“ Firma oder einem klassischen Konzern heraus, die ihren Zweck bzw. ihre Satzung dafür ändern.
Seit einigen Jahren macht außerdem eine ganz neue Unternehmensform von sich reden, die aber in Deutschland rein rechtlich noch schwierig umzusetzen ist: Die Self-Owned Company. Dabei gehört das Unternehmen sich selbst. Es kann nicht mehr verkauft werden, weil Anteile nur noch intern und nicht mehr an externe Investoren weitergegeben werden dürfen. Deutsche Beispiele für diese Self-Owned Companies sind einhorn, soulbottles, und als Vorreiter die grüne Suchmaschine Ecosia.
Politik und soziales Unternehmertum
Soziale Firmen wurden bisher von der Politik wenig ernst genommen und sogar durch die Gesetzeslage ausgebremst. Es gab bisher zum Beispiel kein offizielles politisches Amt und damit keinen offiziellen Ansprechpartner in Berlin. Keiner fühlte sich landesweit für die Förderung von Social-Entrepreneurship zuständig. Es existierte keine koordinierende Anlaufstelle. Darüber hinaus waren die Fördermodelle veraltet und offizielle Gründungszentren für Sozialunternehmen fehlten. Wir hoffen und sind zuversichtlich, dass sich mit der 2021 neu gewählten Bundesregierung diesbezüglich einiges zum Besseren verändern wird. Die Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschaft und Gesellschaft wird nämlich nur gemeinsam mit öffentlichen wie privaten, Institutionen und Akteuren gelingen.
Verbände und Organisationen
Unter anderem der SEND e.V. ((Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e. V.) hat sich zum Ziel gesetzt, für Sozialunternehmen eine starke Stimme zu sein, entsprechende Unternehmer miteinander zu vernetzen und Allianzen und Kooperationen mit Wirtschaft, Wissenschaft und Politik voranzubringen. Über 600 Mitglieder hat SEND inzwischen. Seit 2021 sind wir ebenfalls dabei. Die Aufnahme erfolgt übrigens nicht einfach nur indem man einen Antrag ausfüllt. Man wird gründlichst und auf Herz und Nieren überprüft, man muss sein Konzept und seine Philosophie detailreich darlegen und um die Aufnahme pitchen. Als SEND e.V. Mitglied ist unser Wunsch, uns besser mit anderen Social Businesses zu vernetzen, von anderen zu lernen und gemeinsam gerade von politischer Seite mehr Unterstützung für soziales Unternehmertum zu erhalten. Dazu gehören neue beziehungsweise erweiterte Rahmenbedingungen, die den Weg zu mehr Nachhaltigkeit, zu einer wertschätzenden Gemeinwohl-Ökonomie und zu anderen gesellschaftlichen Ideen erleichtern und nicht erschweren. Eigentlich sollte die Politik schließlich den sozialen Entrepreneuren dankbar und aufgeschlossen begegnen, entsteht durch sie doch ein sozialer Mehrwert, der sich auch auf zukünftige Generationen positiv auswirken wird.
Wir sind außerdem Mitglied der Gemeinwohl Ökonomie Deutschland, auch bekannt als ecogood.
Nationales und internationales Engagement
Der Wunsch nach Social Entrepreneurship ist sowohl in Deutschland als auch international vorhanden.Ein Unternehmen wie Greenpeace mag in seinen einzelnen Aktionen umstritten sein, doch ist es eine Wegmarke in Sachen gesellschaftlicher Wandel. Man darf sich fragen, wo unsere Einstellungen nicht zuletzt zum Klimawandel ohne solches Engagement heute wohl wären.
Deutsche Sozial-Unternehmen starten häufig als regionale Initiative. So kümmert sich Moogoo aus Frankfurt am Main um handgefertigte Upcycling-Möbel und Kuchentratsch aus München um das gemeinsame Kuchenbacken von Senioren. ReCup startete im Rosenheimer Raum, um anschließend München und danach ganz Deutschland mit seinen Pfandbechern „zu erobern“.
Girlpower
Interessant ist die Tatsache, dass deutsche Sozialfirmen mit einer knappen Mehrheit von Frauen geführt werden. Dabei ist im allgemeinen Vergleich nur jeder 5. Geschäftsführer in Deutschland weiblich. (Erhebung 2010, nachzulesen bei Statistika)
Woran liegt es, dass viel mehr Frauen Sozialunternehmen gründen?
Im Female Founders Monitor 2020 des Bundesverbands Deutsche Startups gibt es dafür folgende Erklärung: „Gründerinnen sind stärker als Gründer durch übergeordnete Ziele motiviert und in der Green Economy und im Bereich Social Entrepreneurship besonders aktiv. Allgemein gilt: Purpose, also ein höheres Ziel, ist gerade für Frauen in der Start-up Szene wichtig. Im Unterschied zu den Gründern ist ihre Motivation häufiger an ökologische Nachhaltigkeit gebunden.“
Vermutlich gibt es noch einen anderen Grund: Social Entrepreneurship bevorzugt meist Kooperationen, Zusammenarbeit, der Wunsch nach Gemeinschaft und einem starken Netzwerk, womit es sich deutlich von der wettbewerbsorientierten konventionellen Wirtschaft unterscheidet. Frauen können in diesem Feld aufgrund ihrer Sozialisation und ihrem Wunsch nach Harmonie und einem kollegialen Miteinander besser bestehen. Sie können ihre Kompetenzen bei dieser Vision von Wirtschaft bestmöglich einbringen und mit Mitgefühl und emotionaler Stärke punkten, welche in der konventionellen Wirtschaft oft eher als Hindernisse wahrgenommen werden.
Bekannte Beispiele für Sozialunternehmen in Frauenhand sind NuruCoffee von Sara Nuru und ihrer Schwester Sali Nuru. Ganz dem female empowerment verschrieben, hat sich auch die nachhaltige Periodenunterwäsche ooia von Kati Ernst und Kristina Zeller.
Sozialer Kapitalismus
Muhammad Yunus, ein bengalischer Wirtschaftswissenschaftler, der 2006 den Friedensnobelpreis erhielt, hatte die Idee, dass „die Struktur des Kapitalismus vervollständigt werden“ muss, und zwar durch die Gründung von Social Entrepreneurship. Das ist eine Grundlage, auf der soziales Handeln möglich sein sollte. Der Kapitalismus wird nicht verdammt, sondern in das soziale Handeln eingebunden. Davon profitieren die Firmen und Mensch wie Natur. Diese Win-win-Situation muss die Politik unterstützen. Seine von ihm mitgegründete Grameen Bank vergab Mikrokredite, also Kleinkredite an Menschen in Entwicklungsländern. Als er 2011 als Geschäftsführer aus Altersgründen entlassen wurde und die Wiedereinstellung nicht einklagen konnte, sah er sein Lebenswerk scheitern, da die Bank seiner Ansicht nach auf reines Profitstreben aus war.
Es ist also auch in anderen Teilen der Welt nicht leicht, ein soziales Unternehmen erfolgreich zu führen, wenn es Menschen gibt, die nur auf eine Gewinnmaximierung aus sind.
Halten wir fest…
Der Gedanke der Nachhaltigkeit ist weit verbreitet, doch die Aktionen dazu sind es oft nicht. Social Business wird in der Zukunft jedoch immer wichtiger werden, wenn wir ein lebenswertes Dasein auf diesem Planeten für uns, unsere Kinder und Kindeskinder erhalten wollen. Ein solcher sozialer Mehrwert entsteht allerdings nicht von allein. Daher ist nicht nur das Engagement von möglichst vielen Menschen wichtig, sondern auch eine entsprechende Förderung durch den Staat.