Die erstaunliche Metamorphose der Libelle, von der Larve unter Wasser, zur fliegenden Schönheit in purer Freiheit, ist eine magische Metapher für das, was in den letzten Jahren bei so vielen Menschen geschehen ist und sich in den nächsten Jahrzehnten wohl grundlegend in allen und allem vollziehen wird. Ich las über die Libelle in diesem Zusammenhang erst vor wenigen Wochen das erste mal und fühlte mich sofort tief berührt, so dass ich die Geschichte hier mit dir teilen möchte. Nebenbei erfährst du auch ein kleines bisschen über meine eigene Libellen-Geschichte.
Gehen wir ein bisschen zurück, ins Jahr 2012. Ich lebte zu diesem Zeitpunkt in Südkalifornien in einer hübschen Wohnanlage mit gigantischem Pool und HotTub mit Meerblick. Wir hatten nur ein winziges Apartment, aber einen großartigen Blick auf den Pazifik, den ich nie in meinem Leben vergessen werde. Damals hatte ich entschieden, dass dieser Ausblick sein muss, um meine Scheidungsschlacht heil überstehen zu können. Ich wählte das 1-Bedroom mit Balkon und Meerblick, weil ich spürte, dass dieser Anblick mir mehr bringen würde, als jeder zusätzliche Quadratmeter. Und wer braucht mit zwei Kleinkindern schon viel Platz, wenn man doch vor allem glücklich ist, wenn man eng zusammen ist?
Weil in der Wohnanlage fast nur alleinstehende Navi Seals lebten, waren meine kleinen Jungs und ich oft die einzigen Gäste am Pool. (Die Seals und ihre weiblichen Bekanntschaften kamen später, da waren wir längst im Bett) Unser Apartment lag nur wenige Meter vom Pool entfernt und abends nahmen wir unser Abendbrot, aßen am Pool und nach dem Schwimmen und Duschen rannten wir barfuß und kichernd durch die Sprinkleranlage, über das nasse, perfekt getrimmte Gras und in kuschelige Toy-Story-Bademäntel gehüllt. Zurück im Apartment ging es direkt ins Bett und wir schliefen immer so gut. Es hatte etwas unglaublich magisches und auch wenn meine Kinder sich kaum noch an das Leben in Kalifornien erinnern können, unsere abendlichen Poolbesuche haben auch sie bis heute nicht vergessen.
Im Herbst 2012 hatten wir einen Freund gefunden, der gerade erst hergezogen war und wir verbrachten unsere Abende am Pool mit ihm und seinem Sohn.
Zu dieser Zeit passierten seltsame Dinge in meinem Leben: meine Miete wurde um 70% (!!) erhöht, die Unterhaltszahlungen meines Ex-Mannes endeten praktisch zeitgleich mit der Mieterhöhung, mein älterer Sohn weigerte sich, den Vater weiter zu sehen und zugleich kam unerwartet mein geliebter Hund zu uns zurück. Es war ein bisschen so, als würde das ganze Universum auf einmal für klare Verhältnisse sorgen wollen, die sich für mich aber alles andere als „klar“ anfühlten. Ich saß also an einem Abend im Jacuzzi und berichtete unserem Nachbarn, dass irgendetwas seltsames passiert. Er erzählte mir daraufhin die Geschichte vom Schmetterling, der aus seinem Cocon herausplatzt und plötzlich fliegen kann.
It thinks „I die!“ but than it can fly!
Auf englisch klingt ja fast alles poetisch und „on Point“ und ich war von dem Moment tatsächlich ziemlich ergriffen. Der Himmel war rot-golden verfärbt (wie beinahe jeden Abend in SoCal), erste Sterne funkelten und die Kinder planschten und kicherten. Alles war melancholisch schön. Ein Schmetterling also…
Ich erzählte die Schmetterlings-Metapher selbst oft weiter. Immer dann, wenn jemand sich in meinem Umfeld gebeutelt fühlte, weil alles sich änderte, wegbrach oder zum x-ten Mal nicht klappte. Aber 100% stimmig fand ich die Geschichte nie.
Erst als ich nun mehr über die Metamorphose der Libelle las, wurde mir klar, warum. Was beim Schmetterling fehlt, ist das Prinzip des Lebensraums. Vielleicht ist es dir auch so ergangen: Einfach nur ein bisschen Metamorphose reichte nicht. Es war der „Ausbruch“ bzw. „Umbruch“ des gesamten Systems. Das Ausbrechen aus der Matrix. Und dabei meine ich nicht, dass man die Matrix verlassen muss, sondern dass die Matrix aus einem selbst verschwinden muss.
Ein kollektiver Wandel. Als ich 2015 anfing, über den Wandel zu sprechen, wie notwendig es ist, dass sich unsere Gesellschaft, unser Schulsystem und vor allem auch unsere Wirtschaft verändern, da klang das alles, wie die Träume eines Mädchens, das nicht erwachsen werden will. (Letzteres stimmte, aber dazu wann anders mehr) Ich war gebeutelt als alleinerziehende Mama, ohne Geld aber mit so vielen schlechten Erfahrungen „gesegnet“, dass ich einfach nur hoffte, die Welt verändern zu können, damit ich mit weniger Leid Teil von ihr sein könnte. Damals versteckte ich mich noch hinter dem Begriff Kreativitätsförderung, aber wer verstanden hat, was Kreativität auf höchster Frequenz bedeutet, wird wissen, dass ich eigentlich immer vom Gleichen sprach.
Inzwischen verstecke ich mich nicht mehr hinter Begriffen wie Socialbusines oder Nachhaltigkeit, auch wenn ich nach wie vor voll dahinter stehe. Für mich ist das alles aber Bewusstsein und immer eine Frage Viele der aktuellen Entwicklungen mögen zwar erstmal wie das Gegenteil von mehr Bewusstsein aussehen, aber der Satz „es muss erst schlechter werden, bevor es besser werden kann“ passt auch hier. Alles was mit Kreativität, Transformation und Veränderung zu tun hat, erlebt die Initiierung durch drei, von den meisten Menschen wenig geschätzten Umständen: Erschütterung, Leere, Sehnsucht.
Der bekannte Nietzsche-Satz sagt eigentlich das gleiche: „es braucht Chaos um einen Stern zu gebären“
In der Metagraphie habe ich zwei Varianten als erste Übungen: Das leere Blatt und das mit Vorgaben. Was glaubst du, welches Bild ist leichter zu malen? Natürlich das mit Vorgaben. Leere ist ein „furchtbares“ Gefühl. Aber erst durch die Leere wird wahre Fülle möglich. Weil man komplett neu kreieren kann.
. Eigentlich alle radikale Ansichten der letzten Jahre haben etwas gemeinsam: Die Erkenntnis, dass es nicht so bleiben konnte, wie es war. Und das ist eigentlich gut. Die Art, diese Transformation vonstatten gehen zu lassen, ist vielleicht an manchen Stellen kontraproduktiv und vor allem extrem spaltend, im Außen agierend, voller Energie von Kampf und „Wir gegen die!“, aber es zeigt auch, dass vielen bewusst geworden ist, dass sich etwas ändern muss. Und sind wir mal ehrlich: Wer selbst schon mal in einer persönlichen Transformation steckte, wird wissen, dass man in dieser Phase nicht besonders vorausblickend, achtsam und geduldig war. Eine Transformation reagiert auf eine Erschütterung des Systems, eine plötzliche Leere (Verlust) oder auf eine so unangenehme Sehnsucht, dass man handeln muss. Wenige wagen eine wahrhaftige Veränderung, wenn alles „super ist, so wie es gerade ist“.
Verstehen wir, dass wir alles selbst entfalten, wird klar, dass wir auch die Dramen und Unannehmlichkeiten erschaffen, um vorwärts zu kommen.
Als ich 2016 in einem Arbeitskreis des benachbarte Landkreises saß, wie man das Bildungsangebot neu ausrichten könnte, da kam ich mir noch vor, wie ein absolut verrückter bunter Hund. Inmitten von lauter alten weißen Männern, Rektoren unterschiedlicher Schulen, saß ich da in meinem bunten Kleid und erzählte, dass ich gar keinen Schulabschluss hätte. Nur eingeladen, wegen der Komorbität und meinen inspirierenden Erfahrungen.
Diese transformative Reise spiegelt sich in den Stufen der Libellenentwicklung wider und enthüllt tiefgreifende Einsichten über den Prozess des Erwachens.
Die Anfangsphase der Libellenentwicklung in Wasser ist vergleichbar mit einem Zustand, in dem wir uns auf das Materielle, Begrenzte und Konventionelle beschränken. Ähnlich wie die Larve, die im Wasser lebt, könnten wir in unseren vertrauten Mustern und engen Sichtweisen gefangen sein. Dieses Stadium erinnert uns daran, dass es Zeiten gibt, in denen wir uns dessen nicht bewusst sind, dass wir mehr sind als das, was wir oberflächlich wahrnehmen.
Der bemerkenswerteste Augenblick der Libellenmetamorphose ist der Übergang vom Wasser in die Luft. Dieser Akt des Durchbruchs symbolisiert den Beginn des Erwachensprozesses, wenn wir uns von den Fesseln begrenzter Perspektiven befreien. Ähnlich wie die Libelle, die plötzlich den Impuls verspürt, das vertraute Wasser zu verlassen, können auch wir durch einen inneren Drang aus unseren gewohnten Denkmustern ausbrechen.